Der Fund dieses tristen Novembertages war genauso unerwartet wie spektakulär: Eigentlich waren wir im Auftrag des WWF in der Ostsee unterwegs, um Geisternetze zu lokalisieren und zu bergen, als wir im trüben Grün der Ostsee eine „Schreibmaschine“ entdeckten. Sie hatte sich in einem der Netze verheddert, das in der Geltinger Bucht am Meeresboden liegt. Uns war eine ENIGMA buchstäblich ins Netz gegangen, eine komplexe Chiffriermaschine der Deutschen aus dem Zweiten Weltkrieg.
In der Nacht vom 4. auf den 5. Mai 1945 war die Geltinger Bucht Schauplatz einer groß angelegten Selbstversenkungsaktion der deutschen Kriegsmarine. Gemäß „Regenbogen-Befehl" versenkten die Besatzungen von rund 50 U-Booten ihre Schiffe, um sie nicht an die Siegermächte übergeben zu müssen. Wir gehen davon aus, dass unsere ENIGMA im Zuge dieses Ereignisses über Bord gegangen ist. Insgesamt versanken am Ende des Zweiten Weltkriegs im Rahmen des „Regenbogen-Befehls“ über 200 U-Boote in Nord- und Ostsee, unter anderem vor Flensburg, Eckernförde, Cuxhaven, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Zwischen 1948 und 1957 wurden die U-Boote vom Grund der Geltinger Bucht gehoben und anschließend verschrottet.
Das Wort „Enigma“ ist Griechisch und bedeutet Rätsel. Die gleichnamige Chiffriermaschine hat der deutsche Ingenieur Arthur Scherbius erfunden. Über die ENIGMA wurde während des Zweiten Weltkriegs der größte Teil der Funksprüche der deutschen Wehrmacht und Marine vor dem Absenden verschlüsselt und nach dem Empfang wieder entschlüsselt. Dabei konnte die Nachricht nur dekodiert werden, wenn der Empfänger alle Einstellungen der Sende-ENIGMA kannte. Auf diese Weise war es möglich, mit einer zweiten ENIGMA die Verschlüsselung rückgängig zu machen und den Klartext zu lesen.
Die ENIGMA aus der Geltinger Bucht kommt nun in die Restaurierungswerkstatt des Museums für Archäologie nach Schloss Gottorf in Schleswig. Dort soll sie weiter untersucht und konserviert werden. Laut schleswig-holsteinischem Denkmalschutzgesetz ist die ENIGMA ein archäologischer Fund und gehört somit dem Land.
Mehr Bilder und ein Film zu unserem Fund gibt es bei Spiegel+.